Die Softing AG ist im Geschäftsjahr 2022 umsatzseitig um 16 Prozent auf 98,3 Mio. Euro gewachsen – gleichzeitig hat sich der Auftragsbestand auf 89,9 Mio. Euro nahezu verdreifacht. Ohne die Beschaffungskrise hätte der Spezialist für den digitalen Datenaustausch bereits im abgelaufenen Geschäftsjahr die Umsatzmarke von 100 Mio. Euro deutlich übersprungen. Für das laufende Jahr peilt Softing ein organisches Umsatzwachstum auf über 110 Mio. Euro und eine weitere Verbesserung des operativen Ergebnisses an.  

Die Redaktion von Future Money sprach exklusiv mit dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Wolfgang Trier und dem Finanzvorstand Ernst Homolka über den Start ins neue Geschäftsjahr, die Herausforderungen auf der Beschaffungsseite sowie die Steigerung der Ergebnisqualität: „Einen größeren Schub erwarten wir aufgrund der neuen Produkte sowie umfangreicher Produktlieferungen im Zusammenhang mit bestehenden Großprojekten ab dem Jahr 2024.“

Herr Dr. Trier, wenn Sie die aktuelle Situation der Softing AG in drei kurzen Sätzen beschreiben sollten, welche wären das?

Dr. Wolfgang Trier, CEO / © Tatjana Schnalzger

Dr. Wolfgang Trier: Softing ist zurück auf dem Wachstumspfad. Neue Produkte und Großprojekte treiben das Wachstum. Die Steigerung der Ergebnisqualität wird dem folgen.

Sie sprechen den Wachstumspfad an: Nach vorläufigen Zahlen haben Sie umsatzseitig im Geschäftsjahr 2022 um 16 Prozent zugelegt – und das, obwohl Sie aufgrund der Beschaffungskrise bei elektronischen Bauteilen nur einen Teil der von Ihren Kunden georderten Produkten herstellen und verkaufen konnten. Wie bewerten Sie das operative Abschneiden im vergangenen Jahr und speziell im Schlussquartal?

Dr. Wolfgang Trier: Die Beschaffungskrise hat uns im vergangenen Jahr noch sehr zu schaffen gemacht. Wir hätten deutlich mehr als 10 Mio. Euro zusätzlichen Umsatz machen können, wenn unsere Zulieferer und Auftragsfertiger stets lieferfähig gewesen wären. Im Schlussquartal konnten wir deutlich aufholen und sind so enger an die Umsatzmarke von 100 Mio. Euro herankommen als ursprünglich erwartet. Allerdings haben die erhöhten Beschaffungskosten die operative Marge im abgelaufenen Geschäftsjahr noch sehr deutlich belastet. Hier erwarten wir im laufenden Geschäftsjahr jedoch eine spürbare Verbesserung. 

Herr Homolka, zum Jahresende 2022 war der Auftragsbestand auf rund 90 Mio. Euro angewachsen. Hat sich die Situation auf der Beschaffungsseite inzwischen etwas entspannt? Wann rechnen Sie mit einer Normalisierung?

Ernst Homolka, CFO / © Softing AG

Ernst Homolka: Im vergangenen Jahr hatten wir bezüglich der Produktverfügbarkeit sowohl mit der Verfügbarkeit von elektronischen Bauteilen als auch mit dem faktischen Ausfall eines Zulieferers für Produkte unserer Tochter IT Networks zu kämpfen. Die Lage am Markt für elektronische Bauteile entspannt sich etwas, wird aber noch weit in das laufende Jahr hinein von Knappheit gekennzeichnet sein. Den Ausfall des IT-Networks-Zulieferers haben wir mittlerweile weitgehend kompensieren können. Spätestens ab Mitte des Jahres sollte dies keinen Einfluss mehr auf die Verfügbarkeit der IT-Networks-Produkte haben.

Wie läuft es aktuell im US-Geschäft? Und hat sich die Dynamik beim Auftragseingang in den ersten Monaten 2023 fortgesetzt?

Ernst Homolka: In Nordamerika konnten wir in den vergangenen Monaten den gewaltigen Backlog, also die vom Kunden zur Lieferung bestellten, aber von uns nicht lieferfähigen Produkte, erstmals abbauen. Dabei sind wir in Rücksprache mit unseren Kunden selektiv vorgegangen, d. h. wir haben zunächst margenstarke Lieferungen bedient und dafür einzelne margenschwache Volumenaufträge unsererseits storniert, die aber in einem wieder normalisierten Bestellprozess abgerufen werden. 

Erfreulicherweise erleben wir weiterhin eine rege Nachfrage, insbesondere auch nach neuen Produktentwicklungen. Aktuell stocken wir die Belegschaft um zahlreiche Entwickler auf. Das legt die Grundlage für zusätzliches Wachstum im Produktgeschäft in den nächsten Jahren.

Im vergangenen Jahr sind Ihre beiden größten Segmente, Industrial und Automotive, klar zweistellig gewachsen. Lässt sich diese Entwicklung in 2023 fortschreiben?

Dr. Wolfgang Trier: Das Jahr hat ausgezeichnet begonnen. Das Wachstum wird vom hohen Auftragsbestand und verbesserter Verfügbarkeit von Hardwareprodukten unterstützt. Dennoch: Wir leben unverändert in Zeiten extremer politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten. Allein der weiter mit höchster Brutalität geführte Krieg Russlands – keine zwei Flugstunden von uns entfernt – zeigt auch die physische Bedrohung auf. Dazu kommt der ungewohnt aggressive Ton des gerade gekrönten chinesischen Alleinherrschers. Da ist eine Extrapolation von zwei bis drei Monaten auf das gesamte Jahr nur unter der Annahme der Vermeidung weiterer Eskalationen möglich. Dann jedoch sehen wir Softing auch im laufenden Jahr in allen drei Segmenten unverändert auf Wachstumskurs.

Im laufenden Jahr steht Softing vor dem Sprung über die 100 Mio. Euro-Marke beim Umsatz. Damit hätten Sie ein wichtiges mittelfristiges Ziel erreicht. Welche Bedeutung hat diese Marke für Sie und welche neue Zielsetzung haben Sie nun im Auge? 

Dr. Wolfgang Trier: Die 16 Prozent Umsatzwachstum im vergangenen Jahr waren der Startschuss, auf den wir durch Covid und die Lieferkettenprobleme Jahre warten mussten. Damit ist die 100 Mio. Euro-Marke faktisch Geschichte. Ziele müssen anspruchsvoll, aber erreichbar sein. In diesem Sinne wird in Kombination aus organischem und nicht-organischem Wachstum die Latte für ein neues Mittelfristziel auf 150 Mio. Euro gelegt werden müssen. Auf kurze Sicht von wenigen Jahre sehen wir 130 Mio. Euro als nächstes Etappenziel.

Wie sieht es ergebnisseitig aus? In den vergangenen Jahren haben Sie kräftig investiert. Wann wird sich dies in einer höheren Profitabilität niederschlagen?

Ernst Homolka: Bereits im laufenden Jahr erwarten wir eine weitere Verbesserung der Profitabilität. Dies wird sich im EBIT niederschlagen, wenngleich dies noch lange nicht unseren Ansprüchen genügt. Einen größeren Schub erwarten wir aufgrund der neuen Produkte sowie umfangreicher Produktlieferungen im Zusammenhang mit bestehenden Großprojekten ab dem Jahr 2024. 

Im vergangenen Jahr mussten Sie eine Wertberichtigung in Höhe von 1,1 Mio. Euro auf Ihre Finanzbeteiligung an der Hamburger YOMA Solutions GmbH vornehmen. Warum war dies erforderlich? Und drohen im Jahr 2023 weitere Abschreibungen?

Ernst Homolka: YOMA Solutions hat in einer mit Softing abgestimmten Aktion einen neuen Mehrheits-Shareholder bekommen. Dieser hat eine erhebliche Kapitaleinlage geleistet, musste im Gegenzug dafür aber bezogen auf die prozentualen Anteile weniger bezahlen. Paradoxerweise musste den Regeln folgend der Buchwert der Beteiligung bei Softing daher wertberichtigt werden, obwohl dieses Vorgehen YOMA Solutions – und damit unser Investment – erheblich festigt.

Was dürfen Ihre Aktionäre kurz- und mittelfristig in Sachen Dividende erwarten? 

Ernst Homolka: Trotz der angesprochenen einmaligen Abschreibung der YOMA-Solutions-Finanzbeteiligung mit entsprechender Belastung des Konzernergebnisses schlagen wir der Hauptversammlung eine Dividende in Höhe des Vorjahres, also in Höhe von 0,10 Euro pro Aktie, vor. In den Folgejahren wollen wir die Dividendenzahlungen erhöhen. Dafür werden in diesem Jahr die nötigen Voraussetzungen geschaffen.

Zuletzt hat sich die Softing-Aktie deutlich von Ihren Tiefstständen lösen können, sie notiert aber immer noch weit unter den Kursen von 2019 und 2020. Wie wollen Sie neue Investoren für Softing begeistern?

Dr. Wolfgang Trier: Wir konzentrieren uns in erster Linie auf das Geschäft. Mit dem erfolgten Nachweis unseres Wachstums im vergangenen und mit der Umsetzung unserer Ziele im laufenden Jahr wird die Dynamik der Entwicklung für alle erkennbar. Das wird auch dem Kapitalmarkt nicht verborgen bleiben.

Herr Dr. Trier, Herr Homolka, besten Dank für das Interview.